Samstag, 5. Mai 2007

Rechtstaat und zivile Verantwortung

Nun schon wieder einige Tage zurück liegt die Ankündigung des österreichischen Innenministers, eine permanente Sexualstraftäterdatei zu errichten, in überschwänglichem Enthusiasmus von der nach Sicherheit dürstenden Bevölkerung begrüßt; schließlich ist klar, dass man diese kriminellen Asylwerber sofort abschieben muss, notorisch kleinkriminelle Jugendliche wie Erwachsene bestraft gehören und Sexualstraftäter eben kastriert, oder als Übergangslösung, wie von einer parlamentarischen orangen Randgruppe gefordert, "nur" lebenslang mit Unannehmlichkeiten bestraft werden sollten!

Im Gegensatz zu meiner gewöhnlich durchaus sarkastischen Ader übe ich mich hier nicht einmal in Übertreibung; erstere Forderung stammt von Platter selbst, die zweite Idee ausgerechnet von der "linken" französischen Präsidentschaftskandidatin Ségolene Royal und der dritte Punkt ist bei dem derzeitigen gesellschaftlichen Stimmungsbild nur mehr eine Frage der Zeit.

Die psychischen Auswirkungen von Sexualstraftaten auf die Opfer sind natürlich furchtbar, das ist unbestritten. Dennoch muss man sich die Frage stellen, ob die totale gesellschaftliche Ausgrenzung von Tätern und die Einführung immer härterer Strafen ohne gleichzeitige Verbesserung und Intensivierung der Therapieformen wirklich effektiv in der Prävention ist.
Gleichzeitig muss man sich fragen, worauf die errichtete Sexualstraftäterdatei im Endeffekt hinzielt. Normalerweise gilt in Österreich das rechtsstaatliche Prinzip der Tilgung von Vorstrafen nach einer gewissen Zeit, welches für die Sexualstraftäterdatei außer Kraft gesetzt werden soll.
Um weitere Einstellungen von solchen Tätern in problematischen Berufen zu verhindern, also damit z.B. Pädophile nicht als Kindergärtner arbeiten können, so die Argumentation. So weit, so schlüssig.

Die Frage ist, was mit dieser Datei in einigen Jahren passieren wird; wenn der Zeitgeist vermutlich noch stärkere Schlagseite zum politisch Rechten erhalten hat: Werden die Informationen über Sexualstraftäter dann irgendwann "im Sicherheitsinteresse der Bevölkerung" im Internet oder auf eine andere Weise publik gemacht? Provokativ stelle ich dies auf eine Stufe mit der Frage: Wird irgendwann jeder Exhibitionist von einem wütenden Lynchmob zwangskastriert?

Auswüchse derartiger Politik finden sich unter anderem in den USA, wie z.B. in der gerade im Kino laufenden zynischen Vorstadt-Satire "Litte-Children" sehr treffend geschildert.

Derzeit ist diese Sexualstraftäterdatei nur für die Exekutive einsehbar und wohl rechtsstaatlich noch zu vertreten. Dennoch sollte der mündige Bürger gegenüber den derzeitigen sicherheitspolitischen Entwicklungen wachsam bleiben, nicht nur in dem angesprochenen Beispiel, sondern auch bezüglich Auswüchsen wie "Bundes-Trojanern", Vorratsdatenspeicherung und flächendeckenden Videoüberwachungen.

Wir genießen derzeit noch einen funktionierenden Rechtsstaat; seine Beibehaltung erfordert aber, dass wir alle unsere bürgerlichen Freiheiten dazu benutzen, mit gesunder Kritik seine Aufrechterhaltung einzufordern. Wir sollten nicht stumm und gehorsam dem mittlerweile etwas faschistoiden Zeitgeist folgen und damit alle unsere Freiheiten unter der erdrückenden Maxime der (ohnehin unmöglichen) totalen Sicherheit untergraben.

Denn schließlich wird Benjamin Franklin zugeschrieben, schon vor 250 Jahren gesagt zu haben: "Those who would give up essential liberty to purchase a little temporary safety, deserve neither liberty nor safety."

Sonntag, 17. Dezember 2006

Die Rede des Herrn S

Meine sehr verehrten Kameradinnen und Kameraden,

zuerst einmal möchte ich meine unendliche Freude darüber ausdrücken, dass ihr euch so zahlreich hier einfinden konntet; vor allem gilt meine Begeisterung der geradezu gesellschaftsbildlichen Vielfalt der vertretenen Interessen: Dass neben der Sportschützeninnung, dem Heimatbund, dem Schützenverein, dem Jägerverband und der Traditionsflechtgruppe auch noch der Männergesangsverein und die Freunde zeitloser Trachtenmode ihre wertvolle Zeit für diese kleine Zusammenkunft aufwenden konnten, rührt mich.

Somit kann ich ruhigen Gewissens behaupten, dass sämtliche hier gefassten Beschlüsse in breitem gesellschaftlichen Konsens getroffen werden. Ähm, ja, hier wäre eine Frage, bitte sehr?
Ach so, das Wort Konsens kennen Sie nicht? Nein, dafür müssen Sie sich nicht schämen. Wir lehren das hier im Schulunterricht bewusst nicht. In den, ich darf sie wohl so nennen, Weicheier-Bundesländern wird dieses – da wird mir jeder zustimmen – ganz und gar hässliche Wort für gewisse zusammengeschusterte Einigungen verwendet – also zusammengeschustert heißt, wenn nicht einer allein, also nicht ich, ja ihr wisst schon...

Jedenfalls, normalerweise mögen wir diesen „Konsens“ ja ganz und gar nicht, aber da dieses ungewöhnliche Vokabular in der aufgrund ungerechter historischer Umstände politisch falsch gefärbten Hauptstadt so widerlich gebräuchlich ist (ach, wie ich diesen Due1 hasse), will ich mich mal der sprachlichen Mittel des Feindes bedienen.

Also, wir haben uns hier zusammengefunden, um im Konsens zu beschließen, dass Killerspiele unerträglich böse sind. Killerspiele. Killerspiele! KILLERSPIELE!!! Wer kennt sie nicht, diese furchtbar grausamen virtuellen Mordcamps, Aggressionsförderer, jawoll, Spiele wie Super Mordio, Lara Croft und Counterstrike. Klar, klar, eigentlich wir alle, weil wir alle noch nie ein Computerspiel gespielt haben. Aber das war nicht der Zweck dieser rhetorischen Frage... Jedenfalls: ein unabhängiges Printmedium, eine zuverlässige Informationsquelle folglich, schreibt, worum es in Counterstrike geht und ich darf, da ja im Rahmen unserer tapferer Jungschützen – ach, wahrlich, ihr seid die Zukunft des Landes – nur mutige und belastbare Kinder anwesend sind, wörtlich zitieren:

„In Counterstrike müssen unschuldige Personen festgenommen und auf grausamste Weise gefoltert werden, denn Mord allein interessiert keine Spieler mehr. Vor allem Folter und das Töten Unschuldiger stehen in Terrorismussimulationen wie Lara Croft, Counterstrike und Unreal Torture 2007 im Vordergrund. Die Folterszenarien sind dabei so detailversessen in Szene gesetzt, dass sie Terrorzellen wie al'qaida oder der Grünen Partei als Inspirationsquelle dienen.“

Mir ist bekannt, liebe aufrechte Bürger, dass ihr euch des Lasters virtuellen Mordens nicht so recht erwärmen möget, aber im Rahmen eines Feldversuchs haben wir Josef, einen fleißigen und ansonsten gar unbescholtenen Ministranten, einem dieser grausamen Killerspiele ausgesetzt. Nachdem Josef erst 14 Jahre alt ist, passt er ideal zum Personenprofil des typischen Counterstrike-Spielers. Und wisst ihr was, liebe Mitbürger? Josef war so geschockt, dass er diesen Abend nur ein Bier beim Jungbauernball getrunken hat! Und wir wissen ja, wie viel Bier der Josef normalerweise so verträgt, der kleine Rabauke.

Meine Untert..., ähm Mitbürger, ich frage euch:
Wo soll denn das enden, wenn die Jugend sämtlicher ordentlicher Traditionen beraubt wird? In einer Warteschlange kiffender Wehrdienstverweigerer vor dem Sozialamt? Nicht in meinem Bundesland!

Glaubt auch nicht, dass die politische Linke euch vor diesem Moloch des Kulturimperialismus errettet, der unsere Jugend in eine Heerschar willenlos mordender Zockzombies verwandelt. Diese blauäugigen Gutmenschen machen zuerst einmal Studien, schließen dann aus einem schwammigen Ergebnis, dass man gewisse Sachen, die hier jeder – jeder! - weiß noch nicht so klar aussagen kann und verweisen auf die Notwendigkeit weiterer Studien und weiterer Studien und weiterer Studien... doch da stehen schon die kiffenden Heerscharen arbeitsloser Zockzombies auf der Straße und sammeln Pfandflaschen im Park mit denen sie dann unbescholtene Passanten erschlagen.

Und vergesst nicht liebe Mitbürger – und hier appeliere ich vor allem an Sie Hochwürden – Spieler begeben sich in Welten, die weder gottgewollt noch gotterschaffen sind! Computerspielen an sich stellt damit die reinstmögliche Form an Blasphemie dar. Ihr werdet das erschreckend finden, aber ich prophezeihe euch: Der Schritt vom Computerspiel zur Masturbation ist ein geringer, auch in eurem Kinderzimmer!

Darum, um den leider so früh erfolgenden Schlussstrich unter diese brillante Rede zu ziehen: Liebe Eltern, übernehmt Verantwortung! Verbietet euren Kindern das Spielen! Befolgen sie euren elterlichen Rat nicht, zeigt sie an! Eure Kinder erhalten dann eine vorzügliche Schulung in einem Sommerlager der Bundeswehr, wo sie Werte wie Disziplin, Kameradschaft und Ehre erlernen werden. Ihre infernalischen Relikte virtueller Aggression werden von der Polizei an die Gemeinde übergeben, wo sie einmal monatlich auf einem großen Scheiterhaufen ihrer Bestimmung zugeführt werden. Ihr werdet sehen, mit mir und dem hier getroffenen Konsens strebt dieses Bundesland einer goldenen Zukunft entgegen.

Vielen vielen Dank!

1 Name der Redaktion bekannt

Montag, 27. November 2006

Steve's Tagebuch

Ein beliebiger, höherer Microsoft-Mitarbeiter, nennen wir ihn hier mal zufällig Steve, wird wegen der bevorstehenden Releases von Windows Vista und der Konkurrenz durch die Playstation 3 wohl zunehmend nervös.
Ein geheimer, wieseliger Informant (aus dem Humorix Vast Spy Network?) hat uns eine Fotokopie des folgenden, leicht angesengten Tagebucheintrags zugespielt:

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Dear proponents of patented proprietary programs and admirers of amazingly astonishing alpha-males,

my name is Steve and it is my duty (even though I know it wouldn't be necessary) to inform you about some of the outstanding advantages of our new Vista operating system, the only OS that was, is and will be the only OS that will ever provide ROI (reckless organization income) for any company using it.

Considering this, one need not wonder that the absolute majority of companies worldwide, convinced by the great services provided by our company, don't want to change to any other operating system and fear the outstanding capabilities of our lawyers enough in order not to dare to (did I just say that out loud?).

Anyways, probably some of the readers of this undisputedly unbiased pamphlet who have already had the questionable opportunity to get to know some of the“darker” circles, be it employees in law enforcement or psychiatric facilities, I'm not blaming anyone here, probably know the thing called an “alternative operating system”. And I'm not talking about some eccentric and masochistic, yet harmless, gay designers, who use that Mac OS X thing, here, no, I'm referring to the real sick stuff: There is a thing called Linux, deliberately attacking the great liberal values defended by our Great Operating System (you can't use this phrase, by the way! It's trademarked. Seriously, this belongs to us. You don't want to become a thief, do you?).

The threat posed by this Linux “software” has been suitably summarized by the great columnist Carl McHide in the independent news publication Redmond Software Observer:
“This Linux thing is not only an insidious attack on serious, trustworthy computing, liberal western society, the American Way Of Life, traditional harmony within society and family and everything between human rights and the poor dolphins gazing with their hazel eyes out of the shores of a pacific atoll, no, last but worst, it claims to be an alternative to the only true operating system worldwide, which is Windows OS!”

Since everybody knows that Windows is the only reliable and true OS worldwide, one might wonder how a loose collection of some chaotic lines of code, tossed in by some stoned teen-hippie every now and then can even possibly get the reputation as an “operating system”. Well, I don't need to start again with the tale of the liberal media and the vicious Googleplex that is promoting Linux just in order to hurt us (mean, mean guys!), since you probably know about that conspiracy anyways.

However, even though bribed weasel-reporters convey the impression that Linux is a usable system there is not much need to worry. Why? Because in the long run our Windows system will always be advantageous for everybody and generate common welfare. Let me point out some of the situations where Window's infallibility can play out it's card:

It is generally known that Linux is a loose collection of undocumented, obscure code (weird, weird stuff) and that it can not run any applications on it's own. That is why it is chiefly used by some Eastern European universities for academic research, because they can not afford a decent operating system and some hardcore communists all along from Cuba to North Korea.

Most tech-gurus and experts, including our own technological evangelist Zak N. Kaz, therefore con not help but argue for the inferiority of Linux:

“Outside of [these] circles, really nobody uses it and there is no need to. On Linux you need a software called WineX in order to run proper DirectX applications. WineX has been written by some poor Russian hackers staring in the barrel of the gun of the local mafia boss because the Russians couldn't stand having to pay for an operating system and therefore wanted an alternative they could easily steal. Linux can be easily stolen, mainly because of weak security measures by it's hippie creators but leaves the “user” (in fact it can't really be used...) without applications like MS Word or Photoshop; therefore WineX is needed.”

But you better believe me – WineX, as Linux as a whole, sure as freezing hell (though I hope it's not getting too cold here anytime soon), infringes on our patents and, even worse, it won't be able to run DirectX-10 Code and is hence not “Windows Vista Capable”, which is a necessary certificate for every operable operating system nowadays.

The first point however, will enable us to sue Linux – not out of our own interests, but in order to protect the thing most holy for us, the consumers, from a system as dangerous as this so called “operating system”.

One problem we face is the refusal of some European left-wing extremists to implement software patents in the European Union. For a normally thinking individual this may seem preposterous, but those European left-wing extremists are very fundamentalistic concerning their so called legislature and insist on the fact that those patents have been disallowed by the European parliament.

This, however, is only partly true. As Dimitru N. Orlok, leader of our Microsoft Research Team in Transylvania, points out: “Software patents were already disallowed by the Hitler-Stalin Pact of 1939 because Hitler feared that the armies of his enemies could be supplied with superior patented American software and hence didn't want to use any software at all.”
Germans, underdeveloped as ever, actually didn't use any software at that time, as our Research Lab confirmed.

Thus, we will only be able to defend ourselves proactively and aggressively against the Linux threat, if the Europeans drop their antiquated laws, which we will be insistently enforcing (still want academic licenses, anybody?).

Once this will have been dealt with, nothing will separate mankind from common welfare any more,
yours sincerely diabolically,
Steve

PS: Don't trust Satan, Novell! We are still the better choice! We do have advanced torture techniques and are able to have plagues cast upon earth, as our milestone Windows ME has shown in the past and future efforts like DirectX-10 are going to impressively demonstrate again!