Sonntag, 17. Dezember 2006

Die Rede des Herrn S

Meine sehr verehrten Kameradinnen und Kameraden,

zuerst einmal möchte ich meine unendliche Freude darüber ausdrücken, dass ihr euch so zahlreich hier einfinden konntet; vor allem gilt meine Begeisterung der geradezu gesellschaftsbildlichen Vielfalt der vertretenen Interessen: Dass neben der Sportschützeninnung, dem Heimatbund, dem Schützenverein, dem Jägerverband und der Traditionsflechtgruppe auch noch der Männergesangsverein und die Freunde zeitloser Trachtenmode ihre wertvolle Zeit für diese kleine Zusammenkunft aufwenden konnten, rührt mich.

Somit kann ich ruhigen Gewissens behaupten, dass sämtliche hier gefassten Beschlüsse in breitem gesellschaftlichen Konsens getroffen werden. Ähm, ja, hier wäre eine Frage, bitte sehr?
Ach so, das Wort Konsens kennen Sie nicht? Nein, dafür müssen Sie sich nicht schämen. Wir lehren das hier im Schulunterricht bewusst nicht. In den, ich darf sie wohl so nennen, Weicheier-Bundesländern wird dieses – da wird mir jeder zustimmen – ganz und gar hässliche Wort für gewisse zusammengeschusterte Einigungen verwendet – also zusammengeschustert heißt, wenn nicht einer allein, also nicht ich, ja ihr wisst schon...

Jedenfalls, normalerweise mögen wir diesen „Konsens“ ja ganz und gar nicht, aber da dieses ungewöhnliche Vokabular in der aufgrund ungerechter historischer Umstände politisch falsch gefärbten Hauptstadt so widerlich gebräuchlich ist (ach, wie ich diesen Due1 hasse), will ich mich mal der sprachlichen Mittel des Feindes bedienen.

Also, wir haben uns hier zusammengefunden, um im Konsens zu beschließen, dass Killerspiele unerträglich böse sind. Killerspiele. Killerspiele! KILLERSPIELE!!! Wer kennt sie nicht, diese furchtbar grausamen virtuellen Mordcamps, Aggressionsförderer, jawoll, Spiele wie Super Mordio, Lara Croft und Counterstrike. Klar, klar, eigentlich wir alle, weil wir alle noch nie ein Computerspiel gespielt haben. Aber das war nicht der Zweck dieser rhetorischen Frage... Jedenfalls: ein unabhängiges Printmedium, eine zuverlässige Informationsquelle folglich, schreibt, worum es in Counterstrike geht und ich darf, da ja im Rahmen unserer tapferer Jungschützen – ach, wahrlich, ihr seid die Zukunft des Landes – nur mutige und belastbare Kinder anwesend sind, wörtlich zitieren:

„In Counterstrike müssen unschuldige Personen festgenommen und auf grausamste Weise gefoltert werden, denn Mord allein interessiert keine Spieler mehr. Vor allem Folter und das Töten Unschuldiger stehen in Terrorismussimulationen wie Lara Croft, Counterstrike und Unreal Torture 2007 im Vordergrund. Die Folterszenarien sind dabei so detailversessen in Szene gesetzt, dass sie Terrorzellen wie al'qaida oder der Grünen Partei als Inspirationsquelle dienen.“

Mir ist bekannt, liebe aufrechte Bürger, dass ihr euch des Lasters virtuellen Mordens nicht so recht erwärmen möget, aber im Rahmen eines Feldversuchs haben wir Josef, einen fleißigen und ansonsten gar unbescholtenen Ministranten, einem dieser grausamen Killerspiele ausgesetzt. Nachdem Josef erst 14 Jahre alt ist, passt er ideal zum Personenprofil des typischen Counterstrike-Spielers. Und wisst ihr was, liebe Mitbürger? Josef war so geschockt, dass er diesen Abend nur ein Bier beim Jungbauernball getrunken hat! Und wir wissen ja, wie viel Bier der Josef normalerweise so verträgt, der kleine Rabauke.

Meine Untert..., ähm Mitbürger, ich frage euch:
Wo soll denn das enden, wenn die Jugend sämtlicher ordentlicher Traditionen beraubt wird? In einer Warteschlange kiffender Wehrdienstverweigerer vor dem Sozialamt? Nicht in meinem Bundesland!

Glaubt auch nicht, dass die politische Linke euch vor diesem Moloch des Kulturimperialismus errettet, der unsere Jugend in eine Heerschar willenlos mordender Zockzombies verwandelt. Diese blauäugigen Gutmenschen machen zuerst einmal Studien, schließen dann aus einem schwammigen Ergebnis, dass man gewisse Sachen, die hier jeder – jeder! - weiß noch nicht so klar aussagen kann und verweisen auf die Notwendigkeit weiterer Studien und weiterer Studien und weiterer Studien... doch da stehen schon die kiffenden Heerscharen arbeitsloser Zockzombies auf der Straße und sammeln Pfandflaschen im Park mit denen sie dann unbescholtene Passanten erschlagen.

Und vergesst nicht liebe Mitbürger – und hier appeliere ich vor allem an Sie Hochwürden – Spieler begeben sich in Welten, die weder gottgewollt noch gotterschaffen sind! Computerspielen an sich stellt damit die reinstmögliche Form an Blasphemie dar. Ihr werdet das erschreckend finden, aber ich prophezeihe euch: Der Schritt vom Computerspiel zur Masturbation ist ein geringer, auch in eurem Kinderzimmer!

Darum, um den leider so früh erfolgenden Schlussstrich unter diese brillante Rede zu ziehen: Liebe Eltern, übernehmt Verantwortung! Verbietet euren Kindern das Spielen! Befolgen sie euren elterlichen Rat nicht, zeigt sie an! Eure Kinder erhalten dann eine vorzügliche Schulung in einem Sommerlager der Bundeswehr, wo sie Werte wie Disziplin, Kameradschaft und Ehre erlernen werden. Ihre infernalischen Relikte virtueller Aggression werden von der Polizei an die Gemeinde übergeben, wo sie einmal monatlich auf einem großen Scheiterhaufen ihrer Bestimmung zugeführt werden. Ihr werdet sehen, mit mir und dem hier getroffenen Konsens strebt dieses Bundesland einer goldenen Zukunft entgegen.

Vielen vielen Dank!

1 Name der Redaktion bekannt